100. Geburtstag von Bischof Heinrich Tenhumberg

Wie kaum ein anderer zu seiner Zeit nutzte und verteidigte Bischof Heinrich Tenhumberg die Medien. – Eine Würdigung von Günter Graf (+ 2007), dem langjährigen Leiter der deutschlandweit ersten Pressestelle eines Bistums in Münster. Er schrieb sie zum 25. Todestag des Bischofs.

Palazzo San Carlo im Vatikan, Januar 1974: Die Publizistische Kommission der Deutschen Bischofskonferenz ­diskutiert mit der "Päpstlichen Kommission für die sozialen Kommunikationsmittel" über Aufgaben und Möglichkeiten kirchlicher Pressearbeit. Dabei werden unterschiedliche Akzente gesetzt: Während die "Römer" den Einsatz von Film, Funk und Fernsehen sowie der katholischen Presse für die kirchliche Verkündigung im Blick haben, plädieren die "Deutschen" dafür, sich darüber hinaus in den "weltlichen" Medien zu enga­gieren und deren Eigengesetzlichkeit zu respektieren.

Wortführer in dieser Debatte ist Bischof Tenhumberg, in der Publizistischen Kommission zuständig für den Pressebereich. Er hält es für eine unzulässige Einengung, die Medien nur dann in einem positiven Licht zu sehen, wenn sie sich unmittelbar in den Dienst der Verkündigung stellen. Konkret spricht er sich dafür aus, die Ausbildung katholischer Journalisten zu fördern – unabhängig davon, ob sie ihren Beruf in einem kirchlichen oder weltlichen Umfeld ausüben würden. Die Gründung des Instituts zur För­derung publizistischen Nachwuchses durch die deutschen Bischöfe 1969 in München ist auch seiner Initiative zu verdanken.

Öffnung der Kirche zur Welt
Zielstrebig setzte sich der Bischof für eine Öffnung der Kirche zur Welt und für eine mediengerechte publizistische Arbeit ein. 1951, lange vor dem Konzil, richtete er in Münster die erste Pressestelle einer deutschen Diözese ein; das damals ebenfalls neue Referat für Film, Funk und Fernsehen folgte. Die Leitung dieser Zentralstelle Medien wurde einem Journalisten übertragen, der Publizistik studiert und in der Redaktion einer Tageszeitung volontiert hatte.

Die Pressearbeit im Bistum Münster galt in den folgenden Jahren als Modell, das von den anderen Diözesen übernommen wurde. Es "funktionierte", weil die Journalisten in den Zeitungs- und Rundfunkredaktionen als Partner mit dem Recht auf aktuelle und ungeschönte Informationen respektiert wurden. Die Voraussetzung schuf Bischof Tenhumberg, der "seine" Pressestelle stets auf dem Laufenden hielt und den Redakteuren auf Pressekonferenzen und in Hintergrundgesprächen Rede und Antwort stand. Er selbst legte Wert darauf, über das tägliche Geschehen informiert zu sein: Beim Frühstück durfte die örtliche Zeitung nicht fehlen, und nach dem Mittagessen las er den in seinem Haus erstellten Pressespiegel mit Meldungen und Meinungen aus den regionalen und bundesweit verbreiteten Zeitungen.

Der Informationsstand des "Pressebischofs" – wie er bald genannt wurde –, sein blitzgescheiter Verstand und sein unverkrampftes Verhältnis zu den Medien kamen der Kirche in Deutschland zugute: Er war in der Regel die erste Adresse für die Agenturen und Redaktionen, wenn eine kompetente kirchliche Stellungnahme zu einem aktuellen Geschehen gefragt war. Dabei räumte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), die von ihm 1952 mitbegründet worden war, den Vorrang ein. Als langjähriger Vorsitzender ihres Aufsichtsrats verteidigte er sie gegenüber Versuchen aus der Bischofskonferenz, ihre Funktion auf die einer Agentur für kirchliche PR-Arbeit zu verkürzen.

Ein damals ungewöhnlicher Weg, sein bischöfliches Lehramt auch mit den Mitteln der Publizistik wahrzunehmen, war Tenhumbergs wöchent­licher Beitrag "Der Bischof antwortet" in "Kirche+Leben". Darin nahm er Stellung zu Leseranfragen, die Probleme des Glaubens und der Moral im Alltag der Christen betrafen. Der Erzbischof von Krakau, Kardinal Wojtyla sprach ihm (in einem Brief vom 29. Mai 1978) seine Bewunderung aus "für diese neuzeitliche Form der seelsorglichen Betreuung der Gläubigen, die einem brennenden Bedürfnis so treffend entgegenkommt und bestimmt großen pastoralen Nutzen bringt". Tenhumbergs tiefe Gläubigkeit und seine Gabe, griffig zu formulieren, zeigten sich auch in regelmäßigen Morgenandachten im Hörfunk sowie in Artikeln für Zeitungen und Zeitschriften.

1945 war der Marine-Sanitäter Heinrich Tenhumberg als Heimkehrer aus englischer Gefangenschaft von Bischof Galen in Münster empfangen worden. Galens Nachfolger Michael Keller ernannte Tenhumberg nach kurzer Tätigkeit als Kaplan zum Domvikar und übertrug ihm 1947 die Koordinierung des Laienapostolats im Bistum. Schon damals erkannt er die Bedeutung der Medien für die demokratische Entwicklung der Gesellschaft sowie ihr pastorales Potenzial.

Bischof Keller beauftragte ihn, die Kirche im öffentlich-rechtlichen Rundfunk von Nordrhein-Westfalen zu vertreten. Damit wurde er an der Neugestaltung der Rundfunklandschaft im Bereich des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) und der Gründung des nachfolgenden Westdeutschen Rundfunks (WDR) 1954 beteiligt.

Leiter des Katholischen Büros

Dem CDU-Ministerpräsidenten Karl Arnold trat er im ersten Rundfunkrat des WDR energisch (und erfolgreich) entgegen, als dieser den Einfluss der Parteien auf den WDR sichern wollte und zusammen mit der Opposition im Düsseldorfer Landtag die Besetzung leitender Positionen praktisch schon vorentschieden hatte. Als weniger erfolgreich erwies sich langfristig sein Bemühen, die Kulturlandschaft Westfalen im Programm des WDR angemessen zu berücksichtigen.

Dass der spätere Bischof Tenhumberg sein medienpolitisches Engagement nicht auf seine Heimat beschränkte, zeigte sich, als er das Katholische Büro, die Vertretung der deutschen Bischöfe beim Bundestag und der Regierung in Bonn, leitete (1966-69). Auch auf dem bundespolitischen Parkett war er für Presse und Rundfunk ein gefragter und geschätzter Gesprächspartner. Kaum bekannt ist seine Geburtshilfe, die er bei der Gründung des "Catholic Media Council" (CAMEO, 1969) leistete. Diese internationale Arbeitsstelle begutachtet auch heute noch die Anträge der kirchlichen Hilfswerke auf Förderung publizistischer Maßnahmen in der Dritten Welt.

Nach dem Sturz des chilenischen Staatspräsidenten Allende durch den Diktator Pinochet 1973 flohen chilenischen Theologiestudenten nach Deutschland. Sie wurden in Münster im Haus Mariengrund der Schönstattbewegung aufgenommen. Bischof Tenhumberg bekannte sich seit seiner Jugend zur Schönstattbewegung; durch sie hat er – wie er in seinem Testament geschrieben hat – entscheidende Glaubenshilfe auf dem Weg zum Priestertum erfahren. Einige der jungen Chilenen bereiteten sich neben dem Theologiestudium darauf vor, in ihrem Heimatland nach dem Ende der Militärdiktatur publizistische Auf­gaben zu übernehmen.

Dieses Projekt wurden von Tenhumberg nachhaltig gefördert. Er "war nämlich der Meinung, dass nach einer Gewaltherrschaft nichts notwendiger sein würde als die Herrschaft der Freiheit, verbreitet durch freie Nachrichten mit Hilfe einer freien Presse, schreibt Günter Mees, ehemaliger Chefredakteur von "Kirche+Leben" in seinem Buch "Stimme der Stimmlosen – Weg und Ziel der Katholischen Weltunion der Presse".

Den in Münster ausgebildeten chilenischen Journalisten gelang es in der Tat, nach ihrer Rückkehr in Santiago eine katholische Nachrichten-Agentur aufzubauen, die alle Diözesen des Landes an einen aktuellen Nachrichtenfluss anschloss.

Der damalige Bischof von Trier, Hermann Josef Spital, würdigte als Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Bischofskonferenz den am 16. September 1979 Verstorbenen als "Bischof im konziliaren Aufbruch", der sich dafür eingesetzt habe, die Kirche mit der "Welt draußen" ins Gespräch zu bringen.


Text: Günter Graf

Foto: Markus Nolte in Kirche+Leben
03.06.2015